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Ein Huf, der von Hufrehe gezeichnet ist

Hufrehe Teil 2

Was kann eine Hufrehe auslösen?

Die Auslöser einer Hufrehe sind vielfältig. Es ist wichtig, diese herauszufinden, um weitere Schübe zu verhindern. Leider sind die genauen Ursachen und Prozesse im Huf noch nicht gänzlich wissenschaftlich geklärt, was zu einer großen Unsicherheit bei  der nachfolgenden Therapie führt. 

Fettleibigkeit und Insulinresistenz führen zu Hufrehe

In der heutigen Zeit leben unsere Pferde meist im Überfluss an reichhaltigen Futter. Gleichzeitig haben sie oft nicht die Möglichkeit, die Energie aus dem Futter auch wirklich zu verbrauchen. Dadurch nehmen sie teilweise bis zur krankhaften Fettleibigkeit zu. Es wurde herausgefunden, dass Fettgewebe nicht nur als Energiedepot fungiert, sondern auch eine hormonelle Wirkung hat. So werden bei krankhafter Vergrößerung der Fettzellen einige Stoffwechselvorgänge durcheinandergebracht:
Das Leptin ist ein Hormon, welches das Sättigungsgefühl beeinflusst. Durch Fettdepots wird dieses zwar vermehrt ausgestoßen, aber die Wirkung ist gehemmt, weshalb das Hungergefühl ständig bestehen bleibt. Die Pferde haben also immer Appetit und fressen, wodurch wiederum eine weitere Verfettung gefördert wird. Ein Teufelskreis entsteht. 

Zytokine haben ebenfalls negative Auswirkungen

Ebenfalls vermehrt produziert werden die sogenannten Zytokine, welche entzündungsauslösend wirken und als direkte Auslöser für Hufrehe gelten.

Neben dieser direkten Auswirkung auf die Lederhaut, gibt es eine weitere Wirkung von Zytokinen. Sie setzen die Wirkung des Hormons Insulin herab. Insulin ist ein Botenstoff, der bei einem erhöhten Blutzuckerspiegel den Zellen nach dem Fressen die Nachricht überbringt, dass Glucose aufgenommen werden soll. Ist der Blutzuckerspiegel unter einen bestimmten Wert gesunken, nimmt auch die Insulinproduktion wieder ab.
Wenn nun die Zytokine diese Wirkung von Insulin herabsetzen, dann muss eine viel größere Menge an Insulin produziert werden, um die gleiche Wirkung zu erreichen.
Es ist nachgewiesen, dass selbst bei gesunden, nicht übergewichtigen Pferden eine massiv erhöhte Insulingabe eine Hufrehe auslösen kann. Welcher Mechanismus dahinter steckt ist noch nicht genau erforscht. 

Neben der vermehrten Zytokinausschüttung kommt es gleichzeitig zu einer verminderten Adiponectinausschüttung. Adiponectin wirkt insulinempfindsam auf die Zellen, könnte also einer Insulinresistenz entgegenwirken. So wird das ganze Dilemma nur noch verstärkt. 

Neben der stoffwechselaktiven Fettmasse können auch andere Prozesse eine Insulinresistenz befördern, wie z.B. Stress. In akuten Stresssituationen wird Adrenalin ausgeschüttet. Adrenalin sorgt dafür, dass der Energiespeicher Glykogen schnell zu Glucose umgewandelt wird und genutzt werden kann. Glucose gelangt also plötzlich in großen Mengen in das Blut und löst eine hohe Insulinantwort aus.
Gibt es Probleme in der Herdenzusammenstellung oder erleidet das Pferd dauerhafte Schmerzen, dann kann es auch zu chronischem Stress kommen. Hierbei schüttet die Nebennierenrinde Glykokortikoide, wie Kortisol, vermehrt aus. Kortisol bzw. Kortison vermindert die Insulinsensitivität der Zellen, daraus kann sich auf Dauer eine Insulinresistenz entwickeln. Wird die Situation für das Pferd nicht stressfreier gestaltet, entwickelt sich ein chronischer Verlauf der Hufreheerkrankung.

Chronische Entzündungen wie Allergien (z.B. Sommerekzem) können auch zur Insulinresistenz führen. Grund dafür ist nicht ein dauerhafter Stress, aber der ständig erhöhte Histaminspiegel, der sich auf die Insulinsensitivität auswirkt.

Stoffwechselerkrankungen als Ursache

Das Equine Metabolische Syndrom (EMS, siehe Beitrag) entsteht meistens auch durch Überversorgung mit Nährstoffen und zu wenig Bewegung. Dadurch entstehen Fettdepots, die gefährdende Stoffwechselwirkungen haben. Es führt unter anderem also zu weiterer Fetteinlagerung und Insulinresistenz.

Neben EMS kann auch PPID/Equine Cushing Syndrom (siehe Beitrag) prädisponierend für Rehe sein. Fettdepots entstehen dort nicht nur bei überfütterten Pferden, können aber auch zu Insulinresistenz und somit zur Rehe führen. Neben Insulinresistenz und anderen Stoffwechselprodukten aus krankhaftem Fettgewebe, gibt es noch weitere Mechanismen, die zu einer Hufrehe führen können.

Die falsche Fütterung kann fatal sein

Nicht nur das „dick füttern“ ist ein Fehler, sondern auch alle Fütterungspraktiken, die die gesunde Dickdarmflora aus dem Gleichgewicht bringen. Allen voran die Überversorgung mit leichtverdaulichen Kohlenhydraten, wie sie u.A. in Getreide, fruktanreichem Gras und Obst vorkommen. Stärke und Zucker werden normalerweise im Dünndarm absorbiert und sollten nur in ganz geringen Mengen in den Dickdarm gelangen. Ob dies passiert, hängt von der Menge und der Verdaulichkeit ab. Wenn diese Kohlenhydrate nicht vollständig im Dünndarm aufgenommen werden können, gelangen größere Mengen in den Dickdarm. Dort werden sie rasch von den vorherrschenden Bakterien fermentiert. Bei der Fermentation entstehen kurzkettige Fettsäuren, die mit der Zeit über die Darmwand aufgenommen werden. Bis dahin erzeugen sie einen niedrigen pH-Wert im Dickdarm. Durch diese Übersäuerung sterben die Bakterien, die für den Abbau von strukturreichen Kohlenhydraten – wie sie in Gras und Heu hauptsächlich vorkommen – verantwortlich sind. Dabei werden Endotoxine frei und auch die stärkeabbauenden Bakterien geben Exotoxine ab. Diese Gifte gelangen über die, durch den niedrigeren pH-Wert vorgeschädigte Darmwand, in den Blutkreislauf und können an der Hufbeinwandlederhaut erheblichen Schaden anrichten. Gleicher Prozess in Extrem läuft ab, wenn Pferde nachts die Futterkammer plündern und in kürzester Zeit große Mengen an Kraftfutter aufnehmen.

Hufrehe durch Vergiftung?

Neben der Dickdarmfloraverschiebung (Dysbiose) kommt es hier auch schnell zur Vergiftung. Eine Vergiftung kann auch durch Giftpflanzen, wie Jakobs-Kreuzkraut, Eibe und Herbstzeitlose ausgelöst werden und Hufrehe ist eine häufige Folge. (siehe Artikel Giftpflanzen)

Ein Pferd beim Grasen

Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts

Bei einer Kolik oder anderen Darmerkrankungen, kann neben der heftigen Schmerzsituation und oben beschriebenen Mechanismen auch eine Störung der Darmflora eine mögliche Ursache für eine Hufrehe sein.

Medikamente als Auslöser

Auch bei Medikamenten muss man ein Auge auf eine mögliche Hufrehegefahr haben. Besonders bei Mitteln, die Kortison enthalten, aber auch einige Schmerzmittel, die in der akuten Phase der Rehe eingesetzt werden. Man sollte immer alle Möglichkeiten mit dem Tierarzt durchsprechen und schauen, dass der Einsatz möglichst kurzweilig gehalten wird. 

Nachgeburtsverhaltung bei Stuten

Ein weiterer Auslöser kann ein nicht optimalen Geburtsverlauf darstellen. Die Geburtsrehe entsteht dadurch, dass die Gebärmutterschleimhaut gereizt oder eine Nachgeburtsverhaltung eintritt. Letztere ist der Fall, sobald die Nachgeburt nicht vollständig nach einer Stunde nach der Geburt ausgeschieden wurde. Es ist wichtig die Nachgeburt auszubreiten und auf Vollständigkeit zu kontrollieren. Selbst minimale Reste können zu einer bakteriellen Entzündung führen, die sich auf die Hufbeinwandlederhaut auswirken und somit zu einer Rehe führen kann. Je länger man wartet, oder versucht mechanisch den Rest herauszuholen, anstatt den Tierarzt zu informieren und therapeutisch einzuwirken, desto höher ist die Gefahr einer Rehe. Nachgeburtsverhalten tritt bei bis zu 10% aller Stuten auf und sollte unbedingt kritisch betrachtet werden. 

Unphysiologische Hufform - Wie kann das Einfluss nehmen?

Die Hufform selbst spielt bei all diesen Ursachen eine prädisponierende Rolle. Der Hufbeinträger ist schon allein durch unphysiologische/ ungesunde Hufformen einer erhöhten Belastung ausgesetzt und dadurch anfälliger für eine Schädigung, wie es bei einer Rehe der Fall ist. Verformungen der Hufkapsel, wobei Hebel entstehen, die quasi wortwörtlich die Hornwände vom Hufbein weghebeln, sind ein Grund. Dabei werden die Lederhautblättchen gequetscht, die Durchblutung dieser verringert und der Zusammenhalt geschwächt. Werden diese Hufe dann noch stark auf hartem Boden genutzt, kann es schon ohne Zutun weiterer Faktoren zu einer Belastungsrehe kommen.

Egal wie es nun zu einem Hufreheschub gekommen ist, es ist sofort ein Tierarzt zu rufen und schnellstmöglich Maßnahmen zu ergreifen. Diese ersten Maßnahmen sind unabhängig von der eigentlichen Ursache. 

Welche Sofortmaßnahmen ihr ergreifen solltet und wie es weiter gehen kann, lest ihr im nächsten Beitrag unserer Serie zum Thema Hufrehe.

 

„Diagnose Hufrehe“, Konstanze Rasch 2019
Insulin Resistance in Horses, N. Frank, 2006
Forensische Aspekte bei der Hufrehe des Pferdes, J. Damm, 2017
Studies of the Histopathology of Acute Laminitis, N. Obel,1948
Die Hufrehe-Abhandlung von Jochen Biernat