Die Weiden, auf denen unsere Pferde heute stehen, sind nicht mehr mit denen von vor 200 Jahren zu vergleichen. Durch die heutige Hochleistungs-Milchviehwirtschaft wurden vor allem energie-, protein- und zuckerhaltige Grassorten angebaut, die für Kühe zwar optimal, für Pferde dagegen ungeeignet sind. Die Wildpferde waren es gewohnt, sich von kargen Wiesen mit struppigen Büschen zu ernähren. Deshalb ist das Grasangebot für unsere Hauspferde meist zu üppig. Ebendiese gesäten Grassorten enthalten meist sehr viel Fruktan, das problematisch für Pferde sein kann.
Was ist Fruktan?
Fruktan ist ein langkettiges Kohlenhydrat, das der Pflanze als Energiespeicher dient, wenn überschüssige Energie gespeichert werden muss. Es entsteht bei der Photosynthese. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn es sonnig ist, aber die Temperaturen niedrig sind, sodass die gewonnene Energie nicht direkt zum Wachsen verwendet wird und deshalb vorerst gespeichert wird.
Warum ist Fruktan problematisch?
Fruktane werden bevorzugt im Dickdarm durch Bakterien verstoffwechselt und sind rasch fermentierbar. Bei großer Aufnahme kann es zu einer Verschiebung der Darmflora kommen. Der Anteil kohlenhydratspaltender Bakterien wächst zum Nachteil der Rohfaserspaltenden. Diese sterben vermehrt ab und geben Endotoxine frei, welche über die geschädigte Darmwand in den Blutkreislauf gelangen.
Endotoxine gelangen in den Blutkreislauf.
In der Huflederhaut führen die Toxine zu kleinen Blutgerinseln und verschlechtern so die Durchblutung. Diese Mechanismen können zur Entstehung einer schmerzhaften Hufrehe beitragen. Lange dachte man, dass Eiweiß der Auslöser für eine fütterungsbedingte Hufrehe ist, doch diese Annahme ist heute überholt. Natürlich hängt die Entstehung einer Hufrehe mit weiteren Faktoren wie Vorerkrankungen, schlechter Hufsituation oder einer allgemein zu kohlenhydratreichen Fütterung zusammen. Zudem diskutiert man, inwiefern mit Gräsern in Symbiose lebende Schimmelpilzgifte (Endophyten) einen Einfluss haben.
Wann ist der Fruktangehalt hoch?
Grundsätzlich gilt: Wenn das Gras nicht wachsen kann, speichert es mehr Fruktan. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn es zu kalt oder zu trocken ist.
Immer dann, wenn das Gras wächst, sinkt der Fruktangehalt.
Im Mai, zu Beginn der Weidezeit und im Oktober und November, zum Ende der Koppelsaison, werden die Höchstwerte an Fruktan gemessen, da das Gras um diese Zeit schlechter wachsen kann. Im August und September sind die Werte dagegen meist am niedrigsten.
Sandra Dahlhoff hat in ihrer Dissertation 2002 festgestellt, dass der Fruktangehalt stark von der Durchschnittstemperatur der vergangenen 48 Stunden abhängt. Steigt die Temperatur, so sinkt der Fruktangehalt. Daneben hängt der Fruktangehalt im Gras vor allem mit der Durchschnittstemperatur in der Nacht zusammen. War es kälter als 8°C, war das Risiko grundsätzlich höher. Handelt es sich bei der vergangenen Nacht eher um eine wärmere Nacht, ist das Risiko etwas geringer, außer es war lange trocken. Immer dann, wenn das Gras wächst,sinkt der Fruktangehalt.
Besonders kritisch: Sonne und Frost
Besonders problematisch ist folgende Situation: Viel Sonne und Frost bzw. Kälte. Die Photosynthese kann hier ablaufen, aber die produzierte Energie wird nicht in Wachstum umgewandelt.
Entgegen der landläufigen Meinung unter Pferdehaltern ist kurzes, abgefressenes Gras besonders fruktanreich, da es gestresst ist, kaum wachsen kann und deshalb Fruktan anreichert. Regelmäßiges Mähen der Wiesen auf ca. 15 cm kann dagegen helfen, den Zuckergehalt im Gras zu reduzieren.
Es mag vielleicht überraschend klingen: Auch der Einsatz von stickstoffhaltigem Dünger im Frühjahr hilft gegen hohe Fruktankonzentrationen, da die heutigen zuckerreichen Hochleistungsgräser wie Deutsches Weidelgras oder Wiesenschwingel nur auf nährstoffreichen Böden gut wachsen können. Wenn die Nährstoffe fehlen, ist die Pflanze gestresst und produziert Fruktan.
Das Raufutter kann ebenfalls bedenklich sein.
Außerdem gilt zu bedenken, dass natürlich auch Raufutter (also z. B. Heu) Fruktan enthält. So können bis zu 80% des Fruktans aus dem Gras im Heu landen. Besonders aufpassen sollte man beim ersten, frühen Schnitt und beim kurzen zweiten Schnitt. Das Waschen des Heus in warmem Wasser spült den Zucker aus dem Heu. Hier gilt: mindestens 30 Minuten. Aber Vorsicht: Gleichzeitig können sich Bakterien explosionsartig vermehren!
Welche Gräser sind besonders fruktanreich?
Deutsches Weidelgras und Wiesenschwingel gelten als besonders reich an Fruktan. Fruktan wird meist vor allem im Stängel eingelagert. Fruktanarm sind dagegen Wiesenlieschgras, Rotschwingel, Wiesenfuchsschwanz und Knaulgras. Typischerweise ist auf deutschen Weiden eine Mischung aus den verschiedenen Grassorten zu finden.
Wie kann HorseAnalytics helfen?
Unsere HorseAnalytics Health App hilft euch, indem ihr per Ampelsystem das Fruktanrisiko am Standort eures Pferdes angezeigt bekommt. Die App verarbeitet die Wetterdaten am Standort eures Pferdes und gibt so Prognosen. Gerade für vorbelastete Pferde mit EMS oder Cushing ist das eine enorme Erleichterung.
https://www.horseanalytics.com/wp-content/uploads/2020/10/richard-burlton-wIWYe9MFYBs-unsplash-1.jpg4301500Lisa Rosenbergerhttps://www.horseanalytics.com/wp-content/uploads/2022/11/39-39.pngLisa Rosenberger2020-10-26 15:37:202022-04-07 09:21:38Fruktan im Gras: Was hat es damit auf sich?